„Die Begegnung zweier Kulturen“ – Interview mit Jan Kollwitz im Deutschlandfunk
Anmoderation: Jan Kollwitz, Urenkel von Käthe Kollwitz, pflegt in Deutschland die Kunst der klassischen Keramik Japans.
Autor: David Dambitsch
Redaktion: Dörte Voland
Moderator: Auf der Suche nach Entspannung von der Rast- und Ruhelosigkeit der Vorweihnachtszeit empfiehlt sich dieser Tage vielleicht auch einmal der Blick auf eine andere, ferne Kultur: Japan. Innere Ruhe und Vergeistigung zählen darin zu den obersten Prinzipien.
Im Land der aufgehenden Sonne entfalteten sogenannte Teemeister im 16. Jahrhundert die berühmte Teezeremonie zu großer kultureller Blüte und beeinflussten damit die Kunst und Ästhetik Japans auf Jahrhunderte hinaus. Zum Vollzug dieser Teezeremonie gehörten im wesentlichen die Keramikgefäße Teeschale, Wassertopf, Aufbewahrungsgefäß für das Teepulver, Blumenschalen und Vasen. Mit genauen Form- und Farbvorgaben beauftragten die Teemeister Keramiker, nach alten, naturnahen Techniken Gefäße herzustellen. Folgerichtig gilt die Keramik in Japan als die höchste der Künste, noch vor Malerei und Musik.
Der Keramiker Jan Kollwitz hat in Echizen, einem Hauptort der ursprünglichen Keramik Japans, dieses alte Handwerk erlernt. Heute lebt und arbeitet er an der Ostsee. David Dambitsch hat ihn dort besucht.
Moderator: Erst auf den zweiten Blick nehmen die Arbeiten von Jan Kollwitz gefangen. Dann nämlich, wenn man sich dazu entschlossen hat, mit etwas Zeit die Keramiken nach japanischer Tradition zu betrachten: Die Formen sind schnörkellos schlicht. Darauf hat das Feuer des holzbefeuerten anagama-Ofens seine Spuren hinterlassen. Unregelmäßig, prasselnd voller Kraft hat es die Vasen, Teeschalen oder Wassergefäße mit einer natürlichen Glasur versehen. Die menschliche Hand war hier nur Vermittler. Die Elemente Feuer und Luft waren hier selbst am Werk. Jan Kollwitz erklärt.
Jan Kollwitz: Das klingt für europäische Ohren ungewohnt, aber ein japanische Künstler sieht sich als Vermittler, der etwas von der göttlichen Inspiration aufnimmt und es möglichst unverfremdet weitergibt.
Autor: Die Ausbildung von Jan Kollwitz im Japan der 80er-Jahre war deshalb für ihn auch eine Begegnung mit den alten ostasiatischen Traditionen, die ihren geistigen Ursprung im Zen-Buddhismus haben. Er war der Schüler, mußte sich seinem Meister Yutaka Nakamura ganz unterordnen.
Europäische Ausbildungsmaßstäbe galten nicht. Eigenwillig schickte Nakamura seinen Schüler stundenlang zum Unkrautjäten, bevor dieser, ein immerhin in Deutschland bereits fertig ausgebildeter Keramiker, überhaupt in seinem Atelier arbeiten durfte.
Jan Kollwitz: Und es hat Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, daß es nicht um das Unkraut ging, sondern dass ich dort überschüssige Energie einfach loswerden sollte – wie das so ist, wenn man Unkraut rupft: Man rupft, dann ärgert man sich ein Weilchen, dann hört man auf sich zu ärgern und irgendwann tut man es, ohne sich dabei etwas zu denken. Und wenn ich diesen ruhigen Zustand erreicht hatte, hat er mich hereingerufen, und dann durfte ich wieder an der Keramikvase weiterarbeiten.
Autor: Vor nunmehr zehn Jahren kehrte Jan Kollwitz zurück nach Deutschland. Die Einflüsse aus Japan haben ihn geprägt.
Ende der 80er-Jahre nämlich ließ sich Jan Kollwitz hinter seinem Atelier im schleswig-holsteinischen Klosterdorf Cismar von einem japanischen Ofenbaumeister einen originalen anagama-Holzbrennofen bauen. Das Besondere der anagama-Technik beschreibt er so:
Jan Kollwitz: Die Gefäße sind weiß, wenn ich sie in den Ofen einsetze. Dann wird dieser Ofen vier Tage und Nächte ununterbrochen mit Holz gefeuert. Es wird also im Abstand von etwa drei Minuten Holz in den Ofen geworfen. Das Holz verbrennt, und feine Asche-Partikel werden durch den immer stärker werdenden Sog im Ofen – das pumpt und faucht, das ist also dann wirklich gewaltig, diesen großen Ofen zu erleben wenn er in Gang ist – mitgerissen, und die Asche-Partikel fallen irgendwo auf die Keramiken. Und im Bereich der Höchsttemperatur, die bei etwa 1300 Grad liegt, verschmelzen diese Aschepartikel mit der Tonoberfläche zu einem natürlichen Glas.
Rauch und Flammen hinterlassen graue und rötliche Spuren an den Gefäßen. Und dort, wo die Stücke mit der glühenden Holzkohle in Berührung kommen – vorne am Feuerrost – entstehen tiefblaue Färbungen auf den Vasen.
Autor: Als Urenkel von Käthe Kollwitz lebt und arbeitet der Keramiker nach vollkommen anderen Wertmaßstäben als die große Malerin und Bildhauerin: Sie formte die Materialien, die sie wählte, nach ihren Ideen als Künstlerin; seine Kunst besteht darin, der Inspiration des Tons, des Feuers zu folgen. Welche Berührungspunkte spürt er bei seiner Arbeit zwischen Europa und Asien?
Jan Kollwitz: Das ist sehr schwer für mich zu trennen, weil ich gar nicht gewohnt bin, das zu trennen. Ich habe meine Ausbildung in Japan bekommen. Die Techniken, in denen ich arbeite, sind alle japanisch, und auch die Hintergründe, aus denen heraus ich arbeite, wurzeln zum guten Teil in der japanischen Kultur. Gleichzeitig bin ich dadurch beeinflusst, dass ich in Deutschland geboren und hier aufgewachsen bin und hier auch lebe und auch mit deutschem Ton arbeite, natürlich.
Es fließt auf gewisse Weise ineinander. Deswegen kann ich das so nicht trennen. Es entsteht hier eigentlich etwas Neues daraus, dass diese zwei Kulturen sich in diesen Stücken begegnen und einen harmonischen, gemeinsamen, neuen Klang aufnehmen.
Moderator: Wie Jan Kollwitz japanische mit europäischen Traditionen in seiner Keramik verbindet, lässt sich am besten – vielleicht im Urlaub an der Ostsee – nachprüfen bei einem Besuch im alten Pastorat in Cismar in der Nähe von Neustadt in Holstein. Die Ausstellungsräume sind in der Regel täglich geöffnet. Und kaufen kann man seine Keramik auch.
David Dambitsch stellte Ihnen Jan Kollwitz vor.